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Sven-Åke Johansson, geboren 1943 in Mariestad (Schweden), ist einer der stilprägenden Schlagzeuger der deutschen Free Jazz-Ära der 60er und 70er Jahre und verfolgte ab den 80er Jahren einen weitestgehend von Institutionen und Gruppierungen unabhängigen künstlerischen Weg als Musik-Performer, zunehmend in den Kreisen Bildender Kunst und Neuer Musik. Unter anderem zählen über fünfzig Plattenveröffentlichungen, etliche Musiktheaterstücke, Hörspiele, bildnerische Werke und ein lebendiges Tourneeleben zu seinem Œuvre.
Seit 2024 ist er Mitglied der Königlich Schwedischen Musikakadamie, Stockholm. (Kungliga Musikaliska Akademien)

Pressetexte
 

Sven-Åke Johansson hat in einer unübersehbaren Fülle kleiner und großer Formationen wie Projekte gewirkt. Kein „Jam“ – seine Bereitschaft zur Kollaboration fußte immer auf einem klaren Konzept, einer definierten Idee von Ästhetik, Stil und Kontext. So haben zahlreiche dieser Formationen nachhaltige Spuren hinterlassen und sind prägend  geworden. SÅJ zeichnet sich durch eine hellwache, nicht versiegende Neugier aus, die sich offen zeigt für die Wege, Spielweisen, Typologien, Formate und originellen, unver- brauchten Spielorte, die eine deutlich jüngere Musikergeneration findet. Das hält jung. Aber jede neue Konstellation, jedes neue Konzept, jede neue Freiheit unterwirft Sven- Åke Johansson einer akribischen Genauigkeit und Disziplin – der in Kontrolle und Anarchie steckende Widerspruch zündet und öffnet ihm weiten, unerschöpflichen Raum. (Matthias Osterwold 2021 "Dynamische Schwingungen")   

Landmaschinen auf dem Hof des Weimarer Residenzschlosses
Sie standen aufgereiht wie beim Kammerkonzert dem Pult des Dirigenten gegenüber - nur das die Kammer in dem Fall etwas grösser ausfiel. Joansson legte grössten Wert darauf, Zugmaschinen aus DDR-oder osteuropäischen Produktion zu finden. Volker K. aus Possendorf und seine Traktorfreunde kamen ihm dafür wie gerufen. Rund 2000 Menschen verfolgten am Sonntagnachmittag das etwa dreißigminütige Kozert, das am Ende von einer blauen Dunstwolke aus den Auspuffen der Schlepper umnebelt war. TLZ S. Brandt 2015

Ein Schlagzeuger wie kein anderer  Sven-Åke Johansson in Langendreer
Der hagere Mann mit der Stirnglatze und im knitterfreien Anzug ist in Warschau ebenso bekannt wie in New York, und wer ihn einmal erlebt hat vergisst ihn nie wieder. Er heisst Sven-Åke Johansson, ist Schwede mit Berliner Wohnsitz und als Schlagzeuger ohne Beispiel. Am Mittwoch stellte er im Endstadion-Kino anläßlich der Jazz-„Aktionen“ 89 sein theatralisch-musikalisches Programm vor, das er selbst als „ständigen Kampf“ charakterisiert. Wie wahr! Wo sich andere im blinden Aktionismus ergehen, macht Johansson ernst. Ausgangspunkt ist das Schlagzeug, doch der alte Schwede bleibt nicht dahinter hocken Er weitet den Spielprozess zu einer raumgreifenden Klang- und Geräuschaktion aus. Nach einigen Hard-Bop-Läufen pudert er Toms und Snare mit dem Jazz-Besen, haut dann mit Feudeln aufs Fell, sägt mit dem Geigenbogen an den Becken, knarzt nervtötend mit mintgrünen Butterdosen, klappert mit Schuhspannern in windschiefen Takten und kippt einen rasselnden Schwall Trockenerbsen auf die Bespannung. Zwischendurch macht er sich mit Schmirgelpapier über die Wände her. J. Bode WAZ 1989

An Johanssons Musik bewegt das Wagnis, die Überwindung, die Selbsterfahrung, die er vorbehaltlos eingeht. Diesem Wagnis zuzuhören und zuzusehen, berührt einen Bereich der Intimität, in dem die Individualität des Musikers dem Publikum schutzlos gegenübersteht. Auch der Zuhörer muss sich diesem Wagnis stellen. Wer in der Musik gefällige Selbstbestätigung sucht, sollte sich die Augen und Ohren zuhalten. Bert Noglik

Nur ein Schlagzeug stand auf den Holzdielen. Auf dem begann Sven-Åke Johansson, ein kleiner Herr im sandbraunen Dreiteiler und straff zurückgekämmten Haaren, irgendwann sein „The Cucumber Piece“ mit Percussion-Standards: Plastikdeckel auf Trommeln und so. Bis er zu zwei unter dem Geschirrhandtuch verborgenen Gurken griff. Wie ein guter Gemüsehändler wog er sie in den Händen, rieb mit ihnen über das Trommelfell. Und hieb dann mit beiden Schlagstocksubstituten über die Becken. Die wunderbar sanft und dumpf erzitterten. Ingo Abend Taz 02. 04. 2013

Im Zusammenhang mit ausschließlich männlichen Musikern meine ich, eine fast weibliche Seite an seinem Spiel zu erahnen, eine mütterliche Seite, ein Verständnis und Verzeihen über das gewohnte Maß hinaus. Eine feminine Komponente, die der kraftmeierischen Jungsmusik „Free Jazz“ sonst oft fehlt. Karl Bruckmaier 2017

Auf der internationalen Jazz-Szene hat Johansson sich schon seit langem einen unbezweifelten Ruf als Schlagzeugvirtuose ertrommelt. Er gilt als Innovator und Provokateur, der nicht davor zurückschreckt, seinen Hocker zu verlassen, auf Bühnenboden, Wände, verschiedene, gar nicht als perkussiv gedachte Gegenstände, ja sogar die Luft, einzuschlagen und so nie gehörte Klick-, Bumm- und Ratschgeräusche in allen erdenklichen Kombinationen und Tempi zu "erfinden" oder schlicht: zu finden. Die souveräne Beherrschung klassischer, jazziger und populärer Instrumentaltechniken und die theoretische Durchdringung seiner über das rein musikalische hinausgehenden künstlerischen Position führten ihn u.a. zur Entwicklung von musikalischen Bühnenspielen: "Die Harke und der Spaten" (Das Liebesleben der Garteninstrumente). Mehr als all diese komplexen Bezüge und Fähigkeiten wirkt aber die Persönlichkeit des Interpreten selbst, die sich bei seinen Bühnenauftritten dem Betrachter/Zuhhörer regelrecht ausliefert und ihn in ein unentrinnbares psychisches Spannungsverhältnis mit dem Akteur versetzt. Johanssons literarische Produktionen, die man im Band "Gedichte und Gesänge" findet, spiegeln seine Methode, Musik in Text umzusetzen und sind erst im Vortrag voll ausgeschöpft: in der rhythmischen und emotionsgeladenen Sprachimprovisationstechnik des Künstlers. Polytexte, 1987

Das Sven-Åke Johansson / Tristan Honsinger Quartett mit theatralisch inszenierter Aktions-Musik: ernsthaftes Bloßlegen und parodistisches Betroffenmachen, Wahnwitziges bis zu Sperrholz-Cymbal, zur Ziehharmonika mit Rückspiegel, zum Schmiergeld eines Brettes. Jazz-Live 1987

„Idylle und Katastrophen“ heißt eine Schallplattenproduktion mit Sven-Åke Johansson - ein Titel, der die Extreme, zwischen denen sich sein Spiel bewegt, treffend benennt. Er läßt in die Idylle nicht selten Unheimliches einbrechen, während er selbst im Katastrophalen noch eine Spur Komik entdeckt und hinterlässt. Bert Noglik 

Sein schwedischer Akzent funktioniert wie eine hermeneutische Schaufel und holt aus den Schächten verschwommener Hotelnächte die tatsächlichen Lyrics heraus. Etwa das Motto der CD: „Glittering crowds and shimmering clouds in canyons of steel“, das plötzlich in den Ohren steht wie das apodiktische Motto eines ungeschriebenen Abenteuerromans. Und dann passiert trotzdem etwas Unerwartetes. Nicht Aufklärung und Entzauberung, kein Substrat und keine Eindeutigkeit bleiben nach dieser zielgerichteten Behandlung ziellos schweifender Projektionsflächen, sondern eine neue, nun ganz andere Öffnung. 
Diedrich Diedrichsen, Tagesspiegel, 2003

Er sieht aus wie ein Agitpropkomparse der Piscatorbühne, aber er geht durch. Wie er den Bühnenboden schmirgelt, ist von hoher Klasse. Auch seine Arbeit mit dem Schaumstoffbecken lässt befriedigt nicken, ja so soll es sein, so weh muss die Kunst tun. Rudolf Schmitz, 1987

Er hat Erbsen rieseln lassen und Pappe knallen, er hat die Körnigkeit von Sandpapier demonstriert und ihre Fähigkeit zur Knirschung, er hat uns einen Wassertropfenfall mit Becken und Trommelfell vorgeführt, er hat auf Telefonbüchern durch die Welt getrommelt und uns einige seiner wunderschönen, verzwickten und verqueren Lieder mit dem ihm eigenen Akzent gesungen zur verkehrtherum geschnallten Ziehharmonika. Vor allem hat er - ein Lehrstück für die einfältigen Freunde der Schlagzeugsoli - gezeigt, das die spannendsten Töne die sind, die man nicht hört, die ausgelassen werden, die wir selbst dazu spielen müssen. Sven-Åke Johansson hat den dünnblütigen zynischen Jungkünstler das Wichtigste voraus. Er macht ernst, er meint es ernst und setzt sich mit seinen Entdeckungen, Faxen und Einfällen dem Publikum aus. Daraus entfaltet sich Humor, dagegen stehen billige Späßchen. Noch einmal sei seine Platte „Kalfaktor A Falke“ (FMP 0970) empfohlen. Wilhelm Pauli, 1987, Polytexte Frankfurt